Drolshagen (mk), 22.02.2011. „Das eigene Haus, die eigene Wohnung als festesStandbein für die private Altersvorsorge – so will der Staat seine Bürger versorgtsehen.“ Insbesondere die Macher der „Eigenheimrente“ (oder volkstümlich „Wohn-Riester“) preisen die eigene Immobilie als „Säule der Altersvorsorge“ an. Gestehtman gewerblichen Immobilienverkäufern allein aus rein kommerziellem Interessegelegentlich eine gewisse Schlitzohrigkeit zu, werfen die Lobpreisungen derjenigen,die hier staatliche Förderung verheißen, einige Fragen auf: „Durch Wohnen ohneMietkosten im Rentenalter hat das statistische Bundesamt eine monatlicheErsparnis von im Schnitt weit über 500 Euro ermittelt. Das entspricht einerZusatzrente von etwa 28 Prozent des Nettoeinkommens eines Rentnerhaushaltes inden eigenen vier Wänden!“ Mag sein – so lange diese Immobilie an keine Straßegrenzt, für die die Kommune „Träger der Straßenbaulast“ ist.
„Ausbaubeitrag“ heißt das Zauberwort, mit dem die Anwohner von Straßen unterkommunaler Obhut zur Kasse gerufen werden, wenn an der Straße vor der eigenenHaustür auf Geheiß der Stadtväter gebastelt wird. Je nach Einordnung der Straße tragendie Anrainer so zwischen 30% und 70% der Baukosten. Das ist kein Zwangsgeld, auchkeine Strafgebühr, es ist lediglich ein Kostenbeitrag für den sogenannten „Vorteil“, der demImmobilienbesitzer durch eine solche Fremdentscheidung zuteil wird.
Erstmalige Herstellung nach sechzig Jahren Nutzung
Anwohner von Straßen, denen die Renovierungsbedürftigkeit bereits bei oberflächlicherBetrachtung anzusehen ist, können gelegentlich einen gewissen Handlungsbedarf ihrerKommune erkennen. Anrainer von Straßenzügen mit Kanalisation, Gehweg undStraßenbeleuchtung fallen regelmäßig aus allen Wolken, wenn ihre (seit dem zweitenWeltkrieg bestehende) Straße nach sechzig Jahre Nutzung „erstmalig hergestellt“ werdensoll. Immerhin sind die meisten Kommunen – nach massiven Protesten Betroffener – sogroßzügig, auf die vielerorts festgelegte Zahlungsfrist von vier Wochen nachBekanntgabe(!) der Baumaßnahme zu verzichten.
Steinreiche Kommunen
Unterstellt man, dass Kommunalpolitiker von sich auf andere schließen, haben deutscheKommunen ständig zwischen 10% und 20% ihres Jahreshaushaltes als flüssige Mittel fürunerwartete Ausgaben in irgendeiner Schublade liegen. Anders ist kaum zu erklären,warum betroffene Immobilienbesitzer in vergleichbaren Relationen durch kurzfristigekommunalpolitische Entscheidungen mit sehr überschaubaren Fristen zahlungspflichtigwerden. Können sich Berufstätige gegebenenfalls noch auf ihre Kreditwürdigkeitverlassen, stehen Ruheständler vor einem echten Problem. Marktgerecht konfektionierte Vorsorge- oder (Rahmen-)Kreditprodukte für diesen „Fall der Fälle“ gibt es nicht.
Einkommensverhältnisse offenlegen
Immerhin fangen die Kommunen diejenigen auf, die einen mindestens deutlichvierstelligen Betrag nicht so einfach zur Verfügung haben. Für (in der Regel) großzügige6% kann man sich die geforderte Summe von der Kommune leihen und in festzulegenden Teilschritten abstottern. Ein Rechtsanspruch darauf besteht natürlich nicht – hier ist eine“Keditprüfung“ auf Sachbearbeiterebene (im günstigsten Fall) fällig, zu der man eben mal seine Einkommensverhältnisse offen legen darf. Diskretion? Datenschutz?Bankgeheimnis? Kein Wort davon! Konsequente Antragsteller können ihre finanziellenVerhältnisse gleich großflächig plakatieren oder bei Facebook einstellen.
Augen auf beim Häuserkauf
Die Information über bevorstehende Maßnahmen im Falle eines Besitzerwechsels beieiner Immobilie ist Holschuld. Verkäufer, Makler und Notare sind in keiner Weiseverpflichtet, auf bevorstehende Baumaßnahmen hinzuweisen. Immerhin kann ein Käuferdie Ausbaubeitragssumme von seinem Verkäufer einfordern, wenn die Baumaßnahmenvor Unterzeichnung des Kaufvertrages begonnen haben. Schuldner gegenüber derKommune bleibt aber der aktuelle Besitzer. Eine ausdrückliche Nachfrage lohnt sich injedem Fall. Vertragsformulierungen, wie etwa „dem Verkäufer sind keine bevorstehendenAusbaumaßnahmen bekannt“, sollten einen fünfstelligen Preisabschlag wert sein.
Achtung Formfalle
Wird die Summe des Ausbaubeitrages vom Verkäufer eingefordert, muss das Recht aufWiderspruch an den Verkäufer „durchgeleitet“ werden. Wird dies versäumt, verfällt derAnspruch des aktuellen Besitzers automatisch, wenn aufgrund von Widersprüchen Dritterdie von der Kommune geforderte Summe auch nur um einen Cent reduziert wird. Seitensder Behörden erfolgt in der Regel nicht der geringste Hinweis darauf. Im Gegenteil – dasSammeln von Unterlagen über die Beschlüsse und Verkündung von Ausbaumaßnahmenbei den zuständigen Ämtern im Nachhinein gerät mitunter zur Betteltour. Betroffeneberichten gelegentlich von feixenden Sachbearbeitern, denen im Gegenzug gernunterstellt wird, „es den Hausbesitzern mal so richtig zeigen zu können!“ Aber auch ausden höheren Ebenen wird gelegentlich die weise Belehrung „Eigentum verpflichtet“ kolportiert.
Advokat ahnungslos
„Wir können nur hoffen, dass Sie einen fitten Fachanwalt finden!“ Von solchen (ehrlichgemeinten) Glück- und Segenswünschen aus Juristenkreisen können vieleImmobilienbesitzer berichten, die sich mit ihren Anliegen an (irgend-)einen Anwalt wenden.Echte Hilfe kann nur aus den Kanzleien kommen, die sich in den Tiefen des kommunalenVerwaltungsrechtes auskennen. „Maximal lokal!“ ist dann aber vielerorts die Leitlinie inden Sozietäten. Experten, die bundesweit qualifiziert beraten können, sind rar gesät undarbeiten gern für „die andere Seite“.
Ich hab´ Rechtsschutz! Denkste!
Rechtsschutzversicherungen klammern den ganzen Themenkomplex in ihren allgemeinenVersicherungsbestimmungen vielerorts vom Versicherungsschutz aus. Wer meint, alsBetroffener mit juristischen Schritten drohen zu müssen, erntet auf behördlicher Seitedaher meist nur ein müdes Lächeln. Die Zwickmühle, in der sich betroffeneImmobilienbesitzer befinden, ist kein Geheimnis. Ebenso die Tatsache, dass auch seitensder Grundeigentümerverbände keine echte Schützenhilfe kommt. Bekanntermaßen ist dasRegelungswerk nämlich – neutral ausgedrückt – „vielschichtig“.
Das soll keiner blicken!
Die Zahlungspflichten sind im Allgemeinen auf Länder- und im Speziellen auf Kommunalebene geregelt. Die Spannbreite reicht von einer generellen Nicht-Zahlungspflicht bis hin zu „strengsten Maßstäben“. Kritiker unterstellen hier Methode:“Das soll keiner blicken!“ Tatsächlich ist auch die Rechtsprechung zu diesem Thema eherüberschaubar, während die Rechtsauffassungen – insbesondere der kommunalen und vonkommunaler Seite beauftragten Rechtsexperten – einen geradezu faszinierenden Ideenreichtum aufweisen.
Freies Schießen für kommunale Rechtsexperten
So ist beispielsweise nach behördlicher Lesart die bauliche Beschaffenheit einer Straßevon der Gebührenbelastung ihrer Anrainer völlig unabhängig (ersteres ist halt Baurecht,zweiteres Gebührenrecht)! Konkret, die Rechtslage erlaubt der Kommunalpolitik, eineStraße kurzfristig als „Anliegerstraße“ einzustufen, vierspurig und für Schwerlastkolonnengeeignet auszubauen, mit dem erhöhten Satz für „Anliegerstraßen“ abzukassieren undanschließend als Durchgangsstraße freizugeben. Einen Anspruch, den bezahlten(teureren) „Vorteil“ einer „Anliegerstraße“ festgeschrieben zu bekommen, gibt es nicht!Ebensowenig gibt es einen Anspruch auf eine festgeschriebene Phase der „Ruhe“ nacheiner Ausbaumaßnahme. Wer davon ausgeht, wenigstens die Einstufung seiner Straße anformalen, nachvollziehbaren Kriterien festmachen zu können, ist auf dem sprichwörtlichen“Holzweg“. Verkehrszählungen – nach welchen Kriterien auch immer – sind eine betonharteBasis für eine unangreifbar anmutende Zahlungspflicht.
Vom Himmel hoch
Wer glaubt, seinen „Kommunalpolitiker von Nebenan“ zu diesem Thema auf densprichwörtlichen „Pott“ setzen zu können, greift ins Leere. Im Zweifelsfalle trägt „dieKommunalaufsicht“ letztendlich die Schuld an den (sonst so autark getroffenen) strengenRegelungen vor Ort. Den Apparat eines mittelprächtigen Geheimdienstes benötigtderjenige, der herausfinden will, wer auf Landesebene für diesen Regelungskomplex dieHand gehoben hat. Mit viel Glück ist dort wenigstens ein kompetenter und zuständigerAnsprechpartner greifbar. Es ist aber kein Geheimnis, dass auf vielen Ebenen bereits dieVokabel „Ausbaubeitrag“ völlig unbekannt ist.
Vermarkter auf Tauchstation
Beim Verkauf von Immobilien wird dieses Thema – auch wenn eine Vielzahl vonImmobilienbesitzern irgendwann garantiert betroffen sind – nicht eben aufgedrängt.“Ausbaubeitrag“ als eigenständiger Verhandlungspunkt bei der Vertragsgestaltung?Glückssache! „Ausbaubeitrag“ als Bestandteil der Immobilienfinanzierung? Fehlanzeige!Selbst die Vermarkter von Baugrundstücken, die durch gerade abgeschlossene undbezahlte Maßnahmen vor der Tür einen Vorsprung argumentieren könnten, haben diesesThema noch nicht für sich entdeckt.
Keine persönliche Vorteilsnahme
Wie bereits dargestellt, bezahlen die Betroffenen von Ausbaumaßnahmen für densogenannten „Vorteil“, der sich aus der Bautätigkeit ergibt. Man kann Kommunalpolitikernnicht vorwerfen, in diesem Punkt auf persönliche Vorteilsnahme aus zu sein. Klar, demuninformierten Bürger scheint die Systematik, nach der gelegentlich „Sonderregelungen“getroffen werden, wenig transparent. Dass betroffene Kommunalpolitiker mitUnterstützung ihrer Fraktion aber tatsächlich Grundsatzdiskussionen lostreten, wenn sieselbst mit einem „Vorteil“ bedacht werden, ist böse Verleumdung – von bedauerlichenEinzelfällen einmal abgesehen.