Die wichtigsten Missverständnisse beim Vererben:
Alles, was Sie über den Nachlass wissen sollten
Das Thema Erben kann oftmals komplex und emotional sein und führt nicht selten zu rechtlichen Konflikten innerhalb der Familie. Um Missverständnisse und Streitigkeiten zu vermeiden, ist es ratsam, sich frühzeitig mit dem eigenen Nachlass auseinanderzusetzen. Sabine Brandl, Juristin der ERGO Rechtsschutz Leistungs-GmbH, informiert über die häufigsten Irrtümer rund um das Vererben und bietet Einblicke in zentrale Aspekte der Erbschaft.
Erbt der Ehepartner automatisch alles?
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass der Ehepartner im Todesfall automatisch das gesamte Erbe erhält. „Tatsächlich regelt die gesetzliche Erbfolge, dass der Ehepartner zusammen mit weiteren Verwandten erbt“, erklärt Sabine Brandl. In vielen Fällen erhält der überlebende Partner nur einen Teil des Vermögens. Der genaue Anteil hängt vom Verwandtschaftsgrad ab. Beispiel: In einem Ehepaar mit Kindern erbt der überlebende Partner ein Viertel des Vermögens, während die Kinder den Rest erhalten. „Ein klar formuliertes Testament sorgt für Rechtssicherheit und kann potenzielle Streitigkeiten im Voraus vermeiden“, betont die Juristin.
Haben Kinder ein gesetzliches Erbrecht?
Es gibt Fälle, in denen Personen wünschen, dass ihre Kinder oder nahen Verwandten nach ihrem Tod nichts erben. „Nach deutschem Erbrecht ist dies jedoch schwer möglich, da Kinder, Enkel, Eltern und Ehepartner Anspruch auf einen sogenannten Pflichtteil haben“, so Brandl. Dieser Pflichtteil berechtigt nahe Verwandte, auch bei einem anderslautenden Testament einen bestimmten Erbanteil zu fordern. Ein vollständiges Enterben ist also in der Regel nicht möglich, es gibt jedoch einige Ausnahmen, etwa bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen gegenüber dem Erblasser.
Testamentsänderungen gemeinsam durchführen
Insbesondere bei verheirateten Paaren ist das sogenannte Berliner Testament beliebt, in dem sich Eheleute gegenseitig als Alleinerben einsetzen und der länger lebende Partner das Vermögen später an die gemeinsamen Kinder vererbt. „Viele glauben, dass Partner das Testament einseitig ändern können, jedoch ist dies nur sehr eingeschränkt möglich“, erklärt Brandl. Änderungen, die auf Gegenseitigkeit basieren, sollten einvernehmlich zu Lebzeiten vorgenommen werden.
Formvorschriften für Testamente beachten
Ein verbreiteter Irrtum ist, dass ein selbst ausgedrucktes Testament automatisch rechtsgültig ist. „Das Dokument muss laut Bürgerlichem Gesetzbuch vollständig handschriftlich verfasst sein und Ort, Datum sowie Unterschrift enthalten – anderenfalls könnte es zur Anfechtung des Testaments kommen“, warnt Brandl.
Kann ein Erbe abgelehnt werden?
Sind Angehörige verpflichtet, den Nachlass eines Verstorbenen anzunehmen? „Erben haben die Möglichkeit, den Nachlass auszuschlagen, etwa wenn die Verbindlichkeiten die Vermögenswerte übersteigen“, so die ERGO-Expertin. Diese Entscheidung muss innerhalb von sechs Wochen getroffen und dem Nachlassgericht mitgeteilt werden. Dies kann persönlich geschehen oder durch eine notarielle Beglaubigung der Erklärung, die dann dem Nachlassgericht vorgelegt wird. „Ein einfaches Ignorieren des Erbes ist nicht ratsam: In diesem Fall tritt das Erbe automatisch ein – mit allen rechtlichen Konsequenzen“, ergänzt Brandl.
Steuerliche Aspekte der Erbschaft
Ein oft unterschätzter Aspekt sind die Erbschaftssteuern. Viele Erben sind sich nicht bewusst, dass sie unter Umständen steuerpflichtig werden. Die Höhe der Steuer hängt vom Verwandtschaftsgrad und dem Wert des Nachlasses ab. „Es ist ratsam, sich frühzeitig über die steuerlichen Aspekte zu informieren“, empfiehlt die Rechtsexpertin. Ein Gespräch mit einem Steuerberater oder -anwalt kann böse Überraschungen vermeiden und rechtliche Sicherheit schaffen.
Fazit
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Erben erfordert sorgfältige Planung und fundierte Informationen. Indem Sie sich frühzeitig mit diesen häufigen Missverständnissen beschäftigen und geeignete Vorkehrungen treffen, können Sie nicht nur rechtliche Probleme vermeiden, sondern auch das familiäre Miteinander schützen. Nutzen Sie die Chancen, die eine klare Nachlassregelung bietet, und schaffen Sie Klarheit für sich und Ihre Angehörigen.
Quelle: ERGO Group